Am Totensonntag, 20. November 2022, bringt der Oratorienchor – zusammen mit der Kammerphilharmonie Karlsruhe und international renommierten Solisten –Mozarts Requiem-Fragment in der Pirmasenser Festhalle zur Aufführung. Unter dem Dirigat von Christoph Haßler entfaltet das Werk eine feine Balance zwischen abgründiger Dunkelheit und funkelndem Licht, das Menschen Zuversicht und Hoffnung schenkt.

Zum Auftakt des Abends, darf sich das Publikum auf eine akustische Köstlichkeit freuen, wenn zunächst Johann Sebastian Bachs Kantate „Tilge Höchster meiner Sünden“ erklingt. Aufführende sind Christiana Landshamer (Sopran) und Ingeborg Danz (Alt), die zusammen mit Maurice Croissant (Orgel) und dem Ensemble der Kammerphilharmonie musizieren.

Bachs Komposition ist eine Bearbeitung des Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736), einem Zeitgenossen des Thomaskantors. Pergolesi hatte in seinem Todesjahr das liturgische Gedicht für Sopran, Alt, Streicher und Basso Continuo vertont, das den Schmerz der Mutter Jesu ausdrückte, als sie ihren Sohn unter dem Kreuz sterben sah. Bach kannte die Komposition des Italieners und achtete sie sehr. Gerne wollte er sie auch in „seiner“ Thomaskirche aufführen. In der Liturgie der evangelischen Stadt Leipzig hatte aber ein katholisches Gedicht mit lateinischem Text keinen Platz. Bach (oder sein unbekannter Textdichter) unterlegte die Noten deshalb mit einer gereimten Umdichtung des 51. Psalms „Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte und tilge Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit“. Dazu musste er an verschiedenen Stellen kleine Änderungen vornehmen, um die Melodie der Solostimmen dem neuen Text anzupassen.

Klaus Mertens (Foto: G. Mothes)
Klaus Mertens (Foto: G. Mothes)

Die Geschichte von Pergolesis Stabat Mater entbehrt nicht einer tragischen Note. Wie Mozarts Requiem war es das letzte Stück eines viel zu früh verstorbenen Genies. Der junge Kapellmeister schrieb es im Winter 1736 im Franziskanerkloster von Pozzuoli bei Neapel. Dorthin hatte er sich zurückgezogen, weil er Heilung von der Tuberkulose suchte, an der er im Spätjahr des Jahres 1735 erkrankte. In den Schwefelbädern der süditalienischen Hafenstadt hatten schon römische Kaiser gekurt. Doch dem Komponisten war keine Genesung beschieden. Am 16. März 1736 erlag er seinem Leiden im jugendlichen Alter von 26 Jahren und wurde auf dem Friedhof des Klosters beigesetzt. Sein früher Tod beendete eine nur fünf Jahre währende steile musikalische Karriere. Er galt als begnadeter Komponist aller Gattungen, der seinen Zenit noch lange nicht erreicht hatte.

Die anrührende Melancholie des Originals ist auch in der Bearbeitung unüberhörbar. Nur an einer Stelle veränderte Bach den Charakter des Stückes. Seine Kantate sollte nicht wie die Pergolesis in einer Molltonart enden. So fügte er dem Werk eine weitere Strophe hinzu, indem er das Schluss-Amen Pergolesis (f-Moll) wiederholen ließ, nun aber in zuversichtlichem F-Dur. Ganz im Sinne seiner lutherischen Prägung sollte sein deutsches „Stabat Mater“ österlich enden. 

Ingeborg Danz (Foto: Christian Palm)
Ingeborg Danz (Foto: Christian Palm)

Den zweiten Teil des Konzertes bildet das Requiem in d-Moll (KV 626), ein Auftragswerk komponiert von Wolfgang Amadeus Mozart. Es gibt wohl kaum ein Musikstück, um das sich derart viele Mythen und Legenden gebildet haben. Von Mozarts letzter Komposition stammen von ihm selbst nur zwei Drittel, denn er starb, bevor er das Werk vollenden konnte. Vervollständigt von Joseph Eybler und Franz Xaver Süßmayr, wurde es für die Öffentlichkeit am 2. Januar 1793 in Wien uraufgeführt. Hoffnungslos und hoffnungsvoll zugleich. Das Requiem beinhaltet alle Emotionen, die den Menschen mit dem Tod begegnen: Angst, Verzweiflung, Wut, Traurigkeit, Hoffnung, Trost. Mozart geht in der Komposition ganz eigene Wege. Die Wahl der Tonart D-Moll erscheint sonst kaum in Kompositionen des 18. Jahrhunderts. Auf hohe Holzbläser wird verzichtet und so ein weicher, dunkler Klang geschaffen. Das Wort bestimmt die Musik. Und speziell das Einfache, der Verzicht auf kunstvolle Mehrstimmigkeit, macht die Musik so ästhetisch. Möglicherweise ist es das Menschliche, was dieses Requiem so beeindruckend werden lässt. Er ist Erdenmusik – für die Sterbenden und für die Hinterbliebenen, die unter dem Verlust leiden müssen. Als Solisten wirken neben Ingebor Danz (Alt) und Christina Landshammer (Sopran) außerdem mit: Klaus Mertens (Bass) und Patrick Grahl (Tenor).

Die Leitung des Abends liegt in Händen von Christoph Haßler, der im März 2021 die Leitung des renommierten Ensembles übernommen hat. Haßler hat die Nachfolge von Helfried Steckel (82) angetreten, der während seiner fast fünf Jahrzehnte dauernden Tätigkeit als Chorleiter und Dirigent insgesamt 76 Konzerte verantwortet hat und den Chor zu großen Erfolgten führte. Christoph Haßler ist ein über die Grenzen der Südwestpfalz hinaus angesehener Dirigent, der für seine künstlerischen Leistungen wiederholt ausgezeichnet worden ist. Er leitet den Südwestpfälzischen Kinderchor Münchweiler und den Frauenchor ex-semble. Es ist sein erklärtes Ziel, dass der 1884 gegründete Musikverein Oratorienchor Pirmasens auch in Zukunft als Kulturträger die Schätze klassischer Chorliteratur einem breiten Publikum zu Gehör bringt.

Christina Landshamer (Foto: Marco Borggreve)
Christina Landshamer (Foto: Marco Borggreve)
Auf einen Blick: Der Oratorienchor Pirmasens führt am Totensonntag, Sonntag, 20. November 2022, Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem in der Festhalle auf. Das Konzert beginnt um 18 Uhr, die Abendkasse öffnet um 17 Uhr. Eintrittskarten zum Preis zwischen elf und 22 Euro, ermäßigt zwischen 5,50 und elf Euro, sind im Vorverkauf beim Kulturamt im Forum Alte Post (Telefon: 06331/2392716; E-Mail: kartenverkauf@pirmasens.de) oder im Internet unter www.ticket-regional.de erhältlich.