Pirmasens – Der vom Deutschlandfunk und der Stadt Braunschweig gestiftete und mit 30.000 Euro dotierte Wilhelm Raabe-Literaturpreis geht an Judith Hermann für ihr Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ (erschienen bei S. Fischer, 2023). Ihr war im Jahr 1999 als erste Frau der Hugo-Ball-Förderpreis in Pirmasens verliehen worden. Der Hauptpreis ging seinerzeit an Klaus Wagenbach.

Zur Begründung erklärte die Jury:

„Judith Hermanns ‚Wir hätten uns alles gesagt‘ verdichtet das literarische Schaffen eines Vierteljahrhunderts. Zugleich öffnet und verwandelt es das Werk der Schriftstellerin auf faszinierende und unvermutete Weise. Indem Hermann Intimstes preisgibt, um es im nächsten Moment ins Imaginäre kippen zu lassen – und umgekehrt –, lässt sie in ‚Wir hätten uns alles gesagt‘ einen atmosphärisch dichten Schwebezustand entstehen, ein beständiges Changieren zwischen Realität und Fiktion, zwischen Zeigen und Verbergen, das kaum mehr aufzulösen ist – und das auch nicht nach Auflösung verlangt. Dieses Gespinst aus Verweisen, Motiven und Allusionen ist nicht nur mit ihrer eigenen Familiengeschichte und deren Versehrungen verbunden, es eröffnet auch einen Raum für die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts. Nicht zufällig lässt Judith Hermann ihr poetologisches Verfahren des Verschiebens und Übertragens ihren vermeintlich langjährigen Psychoanalytiker erklären: ‚Was für eine unermüdliche Detailarbeit, alles so geschickt zu verfremden, zu entstellen, dass am Ende nichts mehr richtig ist, aber alles wahr.‘

Mit der Verleihung dieses Preises zeichnen die Stadt Braunschweig und der Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk aus. Mit der Auszeichnung soll exemplarisch das bis zum Zeitpunkt der Preisverleihung publizierte literarische Schaffen gewürdigt werden. Die Preisverleihung findet am 5. November 2023 im Rahmen eines Matinee-Festaktes im Kleinen Haus des Braunschweiger Staatstheaters statt.


Quelle: Stadtverwaltung Pirmasens