Lambrecht – Kommt man auf die Tuchmacherei in Lambrecht zu sprechen, so richtet sich der Fokus regelmäßig auf die von Wallonen gegründete Wolltuchweberei in St. Lambrecht, wo sich diese im Jahr 1565 angesiedelt hatten. Dies lenkt fast automatisch davon ab, über andere Möglichkeiten der Tuchmacherei in Lambrecht zu reflektieren.

Die Leinenweberei in Lambrecht

Etwa, dass in Lambrecht, wohl schon vor den Wallonen, eine Leinenweberei existierte, wo „Leinwand“ (Leinentuch) gewebt wurde als einfaches Tuch für die gewöhnliche Bevölkerung. Dies noch bis in die industrielle Zeit der Tuchmacherei hinein, wo Leinenweber in Lambrecht in kleinen Werkstätten am Webstuhl ihrem Handwerk nachgingen. Diese waren nicht in einer Zunft organisiert wie etwa in ihrer Weberzunft die Leinenweber im mittelalterlichen Speyer. Und ohnehin nicht in der St. Lambrechter Zunft, wo sie ausgeschlossen waren.

Das Tuchweben der Dominikanerinnen

Über die Dominikanerinnen wird berichtet, dass diese bei Dannstadt-Schauernheim bzw. bei Worms Schafhöfe betrieben (siehe Kartenausschnitt). Sieht man dies im Zusammenhang mit dem monastischen Gebot, Kontakte zu Laien und zur Außenwelt zu meiden und deshalb auch wirtschaftliche Autarkie anzustreben, dann dürfte die aus der Schafzucht der Nonnen gewonnene Wolle nicht allein dem Wollhandel gedient haben, sondern auch dem Eigenbedarf an selbst gewebtem Wolltuch etwa für die Herstellung der eigenen Kleidung u.a. Insoweit ist das Tuchweben in klösterlichen Konventen, wie den Dominikanern durchaus üblich gewesen, wie auch auf einem mittelalterlichen „Passionsteppich“ dargestellt.

Die frühe Wolltuchweberei in St. Lambrecht

Nachdem die Wallonen in St. Lambrecht die Wolltuchweberei aufgenommen hatten, benötigten sie viele Hände zu deren Ausübung. Die handwerkliche Tuchmacherei war seit ihrer Entstehung in der Jungsteinzeit vor etwa 7000 Jahren ein „Volkshandwerk“ geblieben, wo beinahe jeder irgendeinem Zuarbeiten nachging. Dies war auch bei den eingewanderten Wallonen willkommen, die den personellen Bedarf für ihre Tuchmacherei selbst nicht decken konnten. Weshalb auch die gesamte einheimische Bevölkerung von St. Lambrecht und die im Nachbarort Grevenhausen mit „Wollschlagen und Spinnen“ in Lohnarbeit ihren Beitrag leisteten.

Die Wolltuchweberei in Grevenhausen

Es scheint, dass die Tuchmacherei der Wallonen im Lauf der Jahre von St. Lambrecht auch in das Nachbardorf Grevenhausen eingewandert ist, indem seine Einwohner sich ebenfalls der Tuchmacherei zu wandten. Auslöser hierfür könnten einmal die subsidiären Verrichtungen (Wollschlagen, Spinnen) gewesen sein, mit denen die Grevenhauser mit der wallonischen Tuchmacherei in direkte Berührung kamen. Auch haben sich wohl schon bald wallonische Tuchweber nach ihrer Ankunft in St. Lambrecht in Grevenhausen nieder gelassen und wohl ihre Kenntnisse an Einheimische weiter vermittelt.

Die bischöfliche Ordnung von 1599

Hierfür spricht, dass im Jahr 1599 Bischof Eberhard von Speyer eine Ordnung für die „Wüllenweber und Ferber zu Grevenhausen“ erlassen hatte, die mit einer schon 1581 von Pfalzgraf Johann Casimir für die Wüllenweber in St. Lambrecht aufgestellten Ordnung bis auf Geringfügiges identisch war.

Letztere, auch als „Articles du Prince“ bezeichnet, enthielt auch Regelungen für die St. Lambrechter Zunft, über deren Organisation, Geltungsbereich der Zunftordnung, Zunftversammlungen und Zunftmeister u.a. Es waren mit die wichtigsten Regelungen, weshalb diese auch in der bischöflichen Ordnung von 1599 Eingang gefunden haben müssen, was heißen würde, dass auch in Grevenhausen eine Tuchmacherzunft bestanden haben muss.

Zudem sind in der bischöflichen Ordnung bereits in ihrer Überschrift neben den Wüllenwebern auch die Färber angeführt, also Spezialisten auf dem Gebiet des Färbens von Tuch, wie diese in Grevenhausen möglicherweise auch besser vertreten waren als in St. Lambrecht, wo man sich anfangs nur auf die Blaufärberei mit Färberwaid zu konzentrieren wusste und alles Färben in anderer Art überwiegend nach auswärts zu vergeben pflegte. Auch mit sonnigen Plätzen mit guter Eignung zum „Vergrünen und Trocknen“ des mit Färberwaid blau gefärbten Tuchs, war Grevenhausen bestens ausgestattet.

Fabrikbauten von ehemals Häussling an der Westseite der Kuhbrücke am Speyerbach, Nachfolger der Kuhbrück-Mühle, deren Vorgängerin vermutlich eine Grevenhauser Walkmühle war
Fabrikbauten von ehemals Häussling an der Westseite der Kuhbrücke am Speyerbach, Nachfolger der Kuhbrück-Mühle, deren Vorgängerin vermutlich eine Grevenhauser Walkmühle war

Das Walken von Tuch in Grevenhausen

Gehen wir einem weiteren wichtigen Hinweis zur Grevenhauser Tuchmacherei nach. In der Ortschronik von Maikammer von J. Leonhardt (1928) ist auf Seite 141 zu lesen: „Hinter der Mühlgasse in Alsterweiler wurde sogen. Wascherde gegraben und nach Grevenhausen zum Walken des Tuches verkauft.“ Wascherde oder auch Walkerde ist eine erdige Fett aufsaugende Masse, die neben Seife, aber auch Urin, Bestandteil der Walkflotte zum Walken des Tuchs war. Letzteres diente dazu, das Tuch zu einer geschlossenen Struktur zu verdichten und weich und geschmeidig zu machen für höheren Tragekomfort daraus geschneiderter Kleidung.

Dass Grevenhausen von Alsterweiler Wascherde bzw. Walkerde zum Walken bezog, läßt die Frage aufkommen, ob der Ort dann auch zum Walken über eine Walkmühle verfügte? In St. Lambrecht werden für das Jahr 1600 fünf Walkmühlen aufgeführt (die Fünfte wohl noch im Bau), die alle vom Speyerbach angetrieben wurden, da nur dieser die notwendige Wasserkraft für den Betrieb von Walkmühlen liefern konnte.

Die „Kuhbrück-Mühle“ als ehemalige Walkmühle?

In der Tat bestand für den nördlich des Speyerbachs sich erstreckenden Ort Grevenhausen ebenfalls die Möglichkeit, eine Walkmühle am Speyerbach zu betreiben. Nämlich, wo dessen Gemarkung sich über den Bach nach Süden ausdehnte, über die Kuhbrücke das Beerental hoch bis zum Schorlenberg und dann noch ein Stück weit in die Haspeln hinein.

Westlich der Kuhbrücke ist am Speyerbach in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die „Kuhbrück-Mühle“ nachweisbar. Diese war einmal eine Grießmühle, die dann 1910 in den Besitz der Firma Häussling gelangte. Gut vorstellbar ist, dass diese ursprünglich aus einer auf Grevenhauser Bann errichteten Walkmühle hervor gegangen sein könnte, von Grevenhausen bzw. dessen Tuchmachern oder auch vom Fürstbischof erbaut, zum selbständigen Walken des Grevenhauser Tuchs.

Nach all diesem müssen wir davon ausgehen, dass in Grevenhausen eine ausgeprägte und leistungsfähige Tuchmacherei betrieben wurde, der eine durchaus größere Bedeutung beizumessen wäre, um sie gelegentlich auch aus dem Schatten der St. Lambrechter Tuchmacherei treten zu lassen.


Quelle: Gerald Lehmann, Webermuseum Lindenberg